5 Gründe warum auf allen Unternehmensebenen strategisch gedacht werden sollte

Gemeinhin herrscht die Annahme vor, dass Strategie und strategisches Denken die ausschließliche Domäne der Führungsspitze eines Unternehmens sind. Diese Annahme ist historisch gut begründet. Und sie ist falsch im heutigen Wirtschaftsleben.

Griechischer General
Der Strategos im antiken Griechenland hatte die Lizenz zum strategischen Denken

Das griechische Wort “Strategos”, von dem sich der Begriff “Strategie” ableitet, bedeutet “General”. Und der General im antiken Athen sowie in der klassischen Militärstruktur bis ins 20. Jahrhundert entwarf die Schlachtpläne und erteilt die Befehle. Die Soldaten hatten blind zu gehorchen und so wenig wie möglich zu denken, geschweige denn die Befehle in Frage zu stellen.

Als seit Ende des 19. Jahrhunderts der Begriff Strategie zusammen mit strategischen Konzepten in Unternehmen Einzug hielt, war das Verständnis prinzipiell ähnlich: Der Chef dachte, plante und befahl, die Mitarbeiter führten aus. In so manchem Unternehmen läuft das mehr oder weniger bis heute so.

Es gibt jedoch gute Gründe, warum diese Struktur und Rollenverteilung in der heutigen Wirtschaft ineffektiv ist und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens meist negativ beeinflusst. Oder positiv formuliert: Wer möchte, dass sein Unternehmen mittelfristig wettbewerbsfähig bleibt, sollte das strategische Denken bei Mitarbeitern aller Ebenen fördern. Aus meiner Sicht gibt es dafür fünf gewichtige Gründe:

1. Die hohe Komplexität von Unternehmen und Märkten

Bereits in einem mittelgroßen Unternehmen haben die stark arbeitsteiligen Prozesse einen so hohen Komplexitätsgrad erreicht, dass weder der Geschäftsführer noch die Abteilungsleiter allein in der Lage wären alle Prozesse so gut zu verstehen, dass sie sie zentral planen können.

Sowohl in der strategischen Planung wie auch gerade in der Strategieumsetzung ist es erforderlich, nicht nur Mit-Arbeiter sondern auch Mit-Denker zu haben. Nur wenn sie bei ihrer operativen Arbeit das große Ganze mit berücksichtigen und vorausschauend denken und handeln, lässt sich die Kluft zwischen der Unternehmensstrategie auf Führungsebene und der Strategieumsetzung an der Basis schließen.

In vielen Unternehmen funktioniert das nicht richtig, mit der Folge, dass die Unternehmensführung sich Jahr für Jahr wundert, warum die Mitarbeiter ihre geniale Unternehmensstrategie nicht richtig umsetzen.

2. Der Anpassungsdruck durch starke Veränderungsdynamik

Der Job von Führungskräften ist seit der Wirtschaftswunderzeit erheblich anspruchsvoller und beanspruchender geworden. Dazu trägt neben der gewachsenen Komplexität die hohe Veränderungsdynamik durch globale Wirtschaftsprozesse und technische Innovationen bei. Das hohe Veränderungstempo kann schnell dazu führen, dass die Unternehmensstrategie vom Anfang des Jahres am Jahresende durch neue Entwicklungen obsolet geworden ist.

Viele dieser neuen Entwicklungen werden an den Touchpoints, also dort wo Unternehmen und Kunden miteinander in Kontakt kommen, zuerst wahrgenommen. Doch meist befinden sich nicht die Führungskräfte an den Touchpoints, sondern normale Mitarbeiter, wie etwa Verkäufer oder Kundenbetreuer. Wenn sie weitsichtig mitdenken und Veränderungen registrieren und intern an die Führungsebene kommunizieren, kann das die Anpassung der Strategie an veränderte Marktrealitäten erheblich beschleunigen.

3. Die Kosten hierarchischer Unternehmensstrukturen

Zentralistisch geführte hierarchische Unternehmen bringen erhebliche Kosten durch Effektivitätsverluste mit sich. Sie werden verursacht durch die permanente Überforderung der Führungskräfte, die alle strategischen Entscheidungen sowie alle wichtigen operativen Entscheidungen zu treffen haben ohne immer die entscheidungsrelevanten Informationen von Mitarbeitern zu erhalten.

Die Mitarbeiter wiederum sind häufig frustriert durch Entscheidungen, die nicht selten abgekoppelt von ihrer Realität an der operativen Basis erscheinen. Wenn zudem eine Unternehmenskultur herrscht, in der Mitdenken nicht belohnt wird, kann das zu Frust und im Extremfall zu passivem Widerstand gegen die Pläne von oben führen.

4. Die Notwendigkeit agiler Organisationsstrukturen

Viele erfolgreiche Unternehmen, wie etwa Alphabet (früher bekannt als Google) oder Lego, haben erkannt, wie wichtig es ist, agile Organisationsstrukturen zu schaffen und zu pflegen. Dann nur durch Agilität können Unternehmen auf die schnellen Veränderungen durch innovative Technologien, veränderte Kundenbedürfnisse und neue Mitbewerber angemessen reagieren.

Eine agile Organisation kann jedoch nur mit strategisch denkenden Mitarbeitern funktionieren. Wenn der Horizont der Mitarbeiter an den Grenzen des eigenen engen Arbeitsbereichs endet, lassen sich schnelle Anpassungen kaum umsetzen. Denn Agilität setzt voraus, dass Veränderungen nicht nur von oben, also von der Geschäftsführung, in Gang gesetzt werden können, sondern auch von unten, von den Mitarbeitern an der Basis, die neue Trends oft früher als die Unternehmensleitung mitbekommen.

5. Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter

In der heutigen Wissensökonomie sind Unternehmen auf hoch qualifizierte Mitarbeiter angewiesen. Niedrig qualifizierte Tätigkeiten sind in den letzten Jahrzehnten systematisch in Niedriglohnländer verlagert worden. Während der Hochindustrialisierung in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts wäre es generell kaum Erfolg versprechend gewesen, von Fließbandarbeitern Mitdenken zu erwarten. Denn die Arbeitsprozesse waren so ausgelegt, dass genau das nicht erwünscht und erforderlich war.

Inzwischen haben sich die Arbeitsprozesse und Qualifikationsprofile wesentlich verändert. Heute haben wir es in entwickelten Industrienationen wie Deutschland überwiegend mit gut qualifizierten Arbeitskräften zu tun, die sich ihrer Qualifikation bewusst sind und oft mehr Ansprüche an ihre Arbeit stellen, als am Ende Geld auf ihr Konto überwiesen zu bekommen.

Wer dieses gewaltige Potenzial an Qualifikation und Motivation vergeudet, riskiert als Führungskraft, dass Mitarbeiter in die innere Kündigung gehen und das Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Das lässt sich verhindern, indem man Mitarbeiter aller Ebenen in den Strategieprozess einbindet, sei es in der Planungsphase als “Sensoren” für Marktentwicklungen oder in der Umsetzungsphase als mitdenkende “Intrapreneure”, die die Unternehmensstrategie in ihrem Arbeitsbereich intelligent und selbstgesteuert an die operativen Realitäten anpassen.

Fazit

Es gibt viele gute Gründe, das strategische Denken nicht nur bei Führungskräften, sondern auch bei Mitarbeitern auf allen Ebenen zu fördern. Wer das versteht und konsequent umsetzt, kann dadurch nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens stärken. Neben der Schaffung von geeigneten Strukturen und der Förderung einer entsprechenden Unternehmenskultur gehören dazu auch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen.

Konkret bedeutet das, dass Strategie-Workshops nicht nur für die oberste Führungsebene durchgeführt werden sollten. Vielmehr empfiehlt es sich, auf allen Ebenen des Unternehmens geeignete Weiterbildungsmaßnahmen durchzuführen, die das strategische Denken fördern. Dadurch kann eine Unternehmenskultur entstehen, die Verständnis und Verantwortung für das gesamte Unternehmen und seine Entwicklung bei allen Mitarbeitern nachhaltig verankert.